(Havanna, Kuba)

Alle Künstler*innen in dem Projekt kommen aus unterschiedlichen Musikszenen. Wie war die Erfahrung aus deiner Sicht innerhalb des Prozesses, dem Projekt deinen persönlichen Charakter zu geben und mit den persönlichen Eigenschaften der einzelnen Künstler*innen zu arbeiten?

Ich denke, das ist das Schönste daran, mit verschiedenen Künstler*Innen an einem Projekt zu arbeiten wobei jede*r eigene Charakteristika hat. Menschen haben ihre eigene Wesensart, ihre eigene Vision und die Musik wird zum Spiegel dieser. Und es ist sehr interessant, in der Musik das einzufangen, was dich als Künstler*In und als Person ausmacht, aber gleichzeitig es zu schaffen, diese mit den Visionen und Seinsweisen der anderen Künstler*Innen im Projekt zu mischen. Ich denke, es ist etwas Magisches, es ist sehr schön, später siehst du das Ergebnis, fühlst dich gut zu wissen, dass du in der Lage warst, du selbst zu sein und gleichzeitig ein Teil von dem zu sein. Ich denke, dieses Projekt ist in dieser Sicht bewundernswert und gerade deshalb bin ich sehr glücklich mit dem Ergebnis. 

Was hast du aus der Zusammenarbeit mit den Musikern aus Deutschland gelernt, was du gerne in deiner zukünftigen Arbeit integrieren würdest?

Ich denke, es gibt viele Dinge, die wir von den deutschen Musiker*innen lernen können, und dazu gehört auch die Ordnung, die Fähigkeit zuzuhören, zu verstehen, zu begreifen, was du willst oder was jede*r Künstler*In will, die Disziplin. Und in kreativer Hinsicht sind es Menschen, die ich für etwas ruhiger halte und ich denke, sie haben etwas mehr Konzentration, mehr Denkprozess, wenn es um das Schaffen geht und das ist bewundernswert. Manchmal sind wir Kubaner impulsiver, wenn es darum geht, etwas zu kreieren, und sie haben dieses Gefühl auch, aber sie haben diese Fähigkeit, ein wenig ruhiger und friedlicher zu sein, wenn es darum geht, einen Song zu machen.

In diesem Projekt kommen viele Sprachen zusammen, Deutsch, Englisch, Spanisch, aber das einzige gemeinsame Kommunikationsmittel ist die Musik. Wenn man es von diesem Standpunkt aus betrachtet, wie war die Kommunikation innerhalb des Teams?

Ich denke, die Kommunikation war großartig. Es ist auch in gewisser Weise lustig, weil ich noch nie mit deutschen Künstlern oder generell mit Menschen aus Deutschland gearbeitet hatte, und dann hatten wir auch noch Ani, die Produzentin des Projekts, die als Übersetzerin fungierte. Aber im Allgemeinen war es sehr lustig. Manchmal habe ich versucht, Deutsch zu sprechen, oder versucht, Englisch zu sprechen, oder sie haben versucht, Spanisch zu sprechen, aber im Allgemeinen war es eine gute Kommunikation, weil die Musik im Mittelpunkt war, die die universelle Sprache ist, und oft brauchten wir nicht einmal die gleiche Sprache zu sprechen, denn wir wollten das Gleiche, und das ist das Schöne an dieser Art von Projekt, bei all der Arbeit, all der Qualität, lernst du auch für dich dazu und es lässt dich als Person wachsen, und das ist großartig. Die Kommunikation war eines der schönsten Dinge, die wir hatten.

Was war die größte Herausforderung bei der Arbeit über das Web/Internet/Handys?

Über das Internet, Alter! Das bedeutet eine ziemlich große Herausforderung für uns. Erst jetzt öffnet sich Kuba dem Internet, wir waren damit immer ein bisschen im Rückstand. Wir mussten die ganze Zeit Tracks oder Mixes nach Deutschland schicken, so etwas hatte ich noch nie gemacht. Ich hatte noch nie das Internet nutzen müssen, um an einem musikalischen Projekt zu arbeiten, und es ist immer ein bisschen schwierig. Aber gut, ich hatte die Unterstützung von allen, wir hatten die Unterstützung von allen Leuten, allen voran der Produzentin Ani. Der Arbeitsprozess  ist sicher für unsere künfitgen Projekte nützlich. Es ist eine Ehre, das mit diesem Projekt gelernt zu haben und das macht es noch besonderer.

Was würdest du zu dem Publikum sagen, was es von dem Projekt Dimelo Rapeando erwarten kann? 

Das ist ein magisches Projekt, das aus den Herzen von Menschen kommt, die weit voneinander entfernt sind, die aber zusammenkamen, um Musik zu schaffen, um etwas gemeinsam zu machen, was das Publikum hören kann und mit dem es sich irgendwie identifizieren kann. Jede*r hat natürlich eigene Denkweise und jede*r wird wissen, ob ihnen das Projekt gefallen hat oder nicht, das liegt bei jeder Person. Was wir hoffen, ist, dass das Publikum weiss, dass wir das von Herzen gemacht haben, dass wir viel Mühe und viel Hoffnung hineingesteckt haben. Ein Projekt voller Musik, voller Energie, voller Botschaften, Lehren, Humor und allem Guten, das es auf der Welt geben kann. Dieses Projekt hat all das und wir hoffen, dass das Publikum es genießen kann, denn dafür haben wir es gemacht und es das Wichtigste ist. 

Was sind für dich die Nachteile und Vorteile von Online-Kollaboration?

Hier in Kuba ist es immer ein mega umständlich, mit dem Internet zu arbeiten, weil Kuba darin Neuling ist, es ist wie ein Kind, was Internetarbeit angeht. Manchmal ist alles ziemlich schwierig für uns damit umzugehen, von den Verbindungsproblemen bis hin zu den Schwierigkeiten für uns. Es gibt viele Dinge, die wir noch nicht wissen. Schau mal zum Beispiel dies, ein Interview über das Internet, das ist etwas, was ich mir nie vorgestellt hatte, als ich jünger war. Und es ist immer sehr schwierig, aber gleichzeitig lohnt es sich, weil man immer etwas neues lernt und das macht uns gut für unsere eigenen Projekte. Wir wir wissen funktioniert die Welt heute weitgehend mit dem Internet und das ist auch gut so. Es ist nur schwierig, etwas Neues zu machen, insbesondere in einem Land, das Entwicklungsprobleme in diesem Bereich hat. Aber es ist gut, neue Dinge zu lernen, die uns in unseren Projekten und in unserem Leben in der Zukunft helfen werden.

Und wie war es in Bezug auf die gemeinsame musikalische Arbeit?

Wenn Sie hierhin gekommen wären … ich meine, die Energie wäre vielleicht ein bisschen anders gewesen. Es ist aus der Ferne nicht dasselbe, wie wenn man bei einer Person ist, wenn man Seite an Seite arbeitet, manchmal ist es ein bisschen wärmer, wenn man bei der Person ist. Wenn man weit weg ist, kann es etwas komplizierter sein, aber gleichzeitig ist es interessant und gut, weil diese Art von Format mit vielen Künstlern genutzt werden kann, und vor allem mit uns, die wir von Kuba aus manchmal nicht die Möglichkeit haben, um die ganze Welt zu reisen. Vielleicht wollen wir irgendwann mit einem bestimmten Künstler Aufnahmen machen, wegen seines Stils, wegen seines Instruments, wegen der Art von Musik, die wir machen wollen, und dieses Projekt… (Verbindungsstörung). Das Projekt hat mir gezeigt, wie wir mit Künstler*Innen überall auf der Welt für unsere zukünftigen Pläne, Alben oder andere Probleme zusammen arbeiten können.

Wir hatten auch das Glück, dass wir trotz der sprachlichen Hürden viel miteinander kommunizieren könnten, ich konnte mit Andy Hunter telefonieren, Ani hat mir bei der Übersetzung einiger Dinge mit Kerim geholfen. Rasiel hat auch mit ihnen kommuniziert, El Individuo mit Leila auch. Dann haben wir angefangen, uns gegenseitig auf Instagram zu followen und dort auf verschiedene Weise zu interagieren. Ich bin Posaunist, und, wie ich eben meinte, habe ich mit Andy geredet, als er gearbeitet hat. Ich bin Posaunist, aber ich arbeitete hier im Projekt als Produzent und er arbeitete als Posaunist und das lief richtig gut. Es hat mich überrascht, dass wir nicht einmal viel zueinander sagen mussten, wir hatten bereits die gleichen Ideen im Kopf, als wir uns unterhalten haben und dadruch  wurde die Arbeit immer wärmer und ich denke dieses Zusammenarbeit kann man am Ergebnis nachvollziehen.

Mit Andy konntest du auch auf Spanisch kommunizieren oder?

Ja, Andy spricht Spanisch, sogar sehr gut. Für mich ist er ein echter Meister, er ist ein Idol und es ist super, dass er Spanisch spricht. Ich spreche nämlich Englisch, aber nicht viel. Mit ihm auf Spanisch reden zu können, hat also für mich und für die Arbeit viel bedeutet, aber der Austausch war auch für mich als Posaunist toll.

Aufgrund der Pandemie können wir nur über das Internet, auf Social Media auf unsere Arbeit aufmerksam machen. Wie sind deine Erfahrungen mit Social Media vor der Pandemie und jetzt währenddessen, um für deine Musik, deine Projekte Werbung zu machen. War das für dich schwierig, damit umzugehen?

Nun, ich denke, es ist ein bisschen schwierig, denn, wie ich meinte, ich bin praktisch neu darin und ich lerne noch. Aber es ist sehr interessant, wie soziale Netzwerke funktionieren, zum Guten und auch zum Schlechten, denn es ist ein Bereich, den wir nicht völlig kontrollieren können, ich denke, dass wir arbeiten können… (Verbindungsstörung)

Ich meinte, dass Social Media uns viele gute Dinge bringen kann, die Arbeit dadurch ist sehr interessant, und es ist interessant zu lernen, wie die Algorithmen verschiedener Plattformen wie Instagram funktionieren. Esi st eine neue Welt für viele der kubanischen Künstler, nicht nur für mich, die erst jetzt lernen, mit Social Media zu arbeiten, und es ist auch ein wenig beängstigend, weil es ein Bereich ist, den wir nicht vollständig kontrollieren können, wir können keine völlige Kontrolle über Social Media haben und es ist ein bisschen unberechenbar, zumindest für mich, der nicht wirklich weiß, wie es ist. Früher, ja, da konnte man Plakate aufhängen oder Flyer machen oder Mundpropaganda, allein wenn man auf ein Konzert gegangen ist, wo man viele Freunde getroffen hat und denen von kommenden Konzerten erzählt, dann haben die dafür gesorgt, es weiterzuerzählen. Und das gab uns bis zu einem gewissen Grad mehr Sicherheit. Bei Social Media weiß du nicht, was das Ergebnis aussieht, du hast nur die Hoffnung, dass es gut wird. Dann kommen noch die Schwierigkeiten hinzu, von allem, was hier passiert, und alles, was Social Media für Kuba darstellt, da es Neuland ist, aber es ist interessant und wir versuchen, immer weiter darüber zu lernen, uns der Welt ein bisschen zu öffnen.

Ich hatte schon vor der Pandemie Social Media, aber zum Beispiel mein Instagram-Profil ist jung. Es war nie ein Weg, um Werbung für Dinge zu machen. Obwohl ich mit vielen Künstlern aus Kuba arbeite war es, habe  ich nie über Social Media promotet „Ich werde an dem Tag mit  Person X spielen“. Jetzt steige ich gerade in diese Welt ein und fange an, all die das einzuplanen, was ich mit Social Media machen möchte, und es ist kompliziert, aber ich versuche, die Dinge gut einzuplanen und zu versuchen, das zu meinem Vorteil zu nutzen, ohne die Macht darüber zu verlieren, was ich darin tun kann. 

Es hat seine guten Seiten, zu wissen, wie die Algorithmen der Social Media funktionieren und alles, was uns der Welt öffnen kann, ist sehr wichtig. Die Künstler von El Espacio, mich eingeschlossen, haben sich dadurch ein wenig der Welt geöffnet, Leute aus verschiedenen Ländern haben begonnen, uns zu followen, vor allem aus Lateinamerika, in meinem Fall. Und auch Rafa hat viele Follower aus den Vereinigten Staaten. Das ist das Gute an Social Media, sie geben dir die Möglichkeit, dein Produkt rauszubringen, deine Kunst in die ganze Welt zu tragen. Das erfordert aber auch ein bisschen Talent und Wissen darüber, wie es funktioniert, aber es hat uns sehr geholfen, das kann man nicht leugnen und wir hoffen, dass es uns weiterhin hilft.

Musstest du deine Arbeit in dieser Zeit der Pandemie anpassen und was hat sich geändert?

Nun, es war eine ziemlich radikale Veränderung. Zuvor haben wir, abgesehen von den verschiedenen Künstlern, mit denen ich zusammenarbeite, ständig Proben, Konzerte gehabt. Und im Fall vom Studio El Espacio zum Beispiel, Rasiel und ich haben sehr oft zusammengearbeitet, wir sind immer jeden Tag zu El Espacio gegangen, mindestens viermal die Woche. Jede Woche haben zusammen Musik gemacht und mal ist diese Musik für ein Projekt herausgekommen, mal haben wir sie einfach gespeichtert, aber es war ein ständiges Schaffen. 

Jetzt funktioniert alles über das Internet, mit den verschiedenen Stadien, die die Pandemie mit sich gebracht hat, war es auf einmal vollkommen anders. Wir können nicht mehr ständig ins Studio gehen, eigentlich sind wir aus Sicherheitsgründen fast gar nicht mehr hingegangen. Und jetzt ist es irgendwie so, wenn ich eine Idee habe, leite sie an Raffa und Rasiel weiter, sie entscheiden, was zu ändern ist, Rasiel spielt etwas ein oder ändert etwas, oder umgekehrt. Wenn Rasiel etwas schickt, entscheiden Rafa und ich, was noch geändert werden könnte. Also, wir arbeitet weiter, aber es ist nicht dasselbe, es ist schon eine radikale Veränderung. In der Zusammenarbeit anderen Künstlern ist es ähnlich, wenn wir eine Aufnahme oder so haben. Sie schicken uns die Partituren uns die Musik übers Internet und wir üben unsere Parts alleine. Es ist anders, als wenn es eine gemeinsame Probe und man sich austauschen kann, wie etwas besser klingen könnte oder nicht. Jetzt ist man mehr auf sich selbst angewiesen. Aber das hat auch seine gute Seite, denn man muss sagen, dass man allem etwas Positives abgewinnen kann. Man wächst mehr bei der Alleinarbeit, wenn man alle Ideen in sich haben muss. Dennoch vermisst man die menschliche Wärme, ich habe es immer lieber, mit meinen Freunden zusammen zu arbeiten.

Möchtest du noch was sagen, zum Projekt, oder zu einem Thema, was wir hier noch nicht angesprochen haben? Und was können wir von dir in diesem Jahr muskalisch noch erwarten?

Ich denke, wir können für die Zukunft noch viele gute und interessante Dinge erwarten – in Bezug auf all die Arbeit, auf die Ergebnisse des Projekts, auf die Freundschaften und auf die guten Dinge, die wir alle aus diesem Projekt und während dieser Zeit erhalten haben. Vor allem als Menschen denke ich, dass das Projekt uns verändern wird und ich hoffe, dass viele, so wie ich, aus all dem lernen werden. Und ich hoffe, dass wir in professioneller Hinsicht viele gute Dinge von diesem Jahr erwarten können. Ich hoffe, dass wir mit euch allen zusammen an vielen weiteren Projekten arbeiten und die Freundschaften weiter pflegen können. Außerdem könnt ihr auf weitere Zusammenarbeit zwischen Rafa und Rasiel und mir gespannt sein und ich hoffe, dass wir immer besser werden und ihr mehr von unserer Kunst erwartet könnt.

 

Das Interview wurde am ??.??.2021 via Facetime geführt.
Interview: Maria Quirós
Transkription, Übersetzung und Reinschrift: Roman Oria, Maria Quirós, Helene Heuser

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Biographie

Dany Arce ist ein kubanischer Produzent und Posaunist, der derzeit in Havanna lebt und dort im Jahr 2014 sein Musikstudium abschloss. Seitdem arbeitet er als Beatmaker, Produzent und Posaunist mit anderen kubanischen Künstler*innen zusammen, wobei er verschiedene Genres der traditionellen kubanischen Musik, Jazz und Hip-Hop abdeckt. Er hat mit Größen wie Roberto Fonseca, Omara Portuondo, Alain Pérez, Horario el Negro und Cimafunk zusammengearbeitet. Arce gehört zu den innovativen jungen künstlerischen Persönlichkeiten der Insel, die die heutige freie urbane Musikszene mit neuen Projekten bereichern. Er nahm an mehreren internationalen Tourneen in Europa und Südamerika teil und performte unter anderem auf internationalen Festivals wie dem Glastonbury Festival und Jazzvejer. 

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